Diskriminierungsopfer wehren sich selten!

Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein (advsh) e. V. zieht Bilanz: Möglichkeiten des Gesetzes weitgehend unbekannt / Fälle lösen sich oft durch Mediation

Arbeitgebende befürchteten eine Klagewelle, als im August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft trat. Diese Befürchtung ging ins Leere. Dass es dennoch einen Bedarf an Beratung rund um das Thema Diskriminierung gibt, zeigt die Arbeit des Antidiskriminierungsverbandes Schleswig-Holstein (advsh) e. V.. Schleswig-Holstein ist bislang das einzige Bundesland, das über einen Antidiskriminierungsverband im Sinne des AGG verfügt.

Insgesamt sei das Gesetz noch zu unbekannt, auch wagten Betroffene zu selten, gegen Diskriminierung im Beruf oder Alltag vorzugehen, so Krystyna Michalski, Vorstandsmitglied des Verbandes. Mit der heutigen Tagung „AGG – was es ist und wo es hilft“ will der Verband besonders Fachleute in Beratungsstellen für Migrant*innen, Menschen mit Behinderungen oder Frauen in Notlagen auf das AGG hinweisen und sie ermutigen, Opfer von Diskriminierung auf den advsh zu verweisen. Ziel des AGG ist es, Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

„Es geht nicht darum zu klagen“, so Wolfgang Kastens, Justitiar des advsh. „Häufig lösen sich Fälle durch Mediation. Die Gegenseite reagiert nach unseren bisherigen Erfahrungen durchweg positiv, mit hoher Gesprächsbereitschaft und deutlichem Respekt vor dem Anliegen des Antidiskriminierungsverbandes.“ Zu den Fällen, die der Verband gütlich zu lösen half, gehörte ein Streit in einem Fitnessstudio: Dort war Kundinnen mit Verweis auf die Hausordnung verboten worden, sich in ihrer Muttersprache zu unterhalten – nach einem Gespräch änderte der Besitzer die Hausordnung. Aktuell leistet der advsh Beistand für die Klage eines jungen Deutschen mit Migrationshintergrund gegen eine Diskothek: Er habe dort wegen seiner arabischen Gesichtszüge „als Ausländer“ keinen Einlass erhalten und sich diskriminiert gefühlt. Insgesamt beschäftigte sich der Justitiar des Verbandes von Mai 2011 bis Februar 2012 mit 25 Fällen, von denen allerdings eine Reihe nicht durch das AGG abgedeckt war.

Wichtig sei vor allem, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, sagt Mona Golla, Vorstandsmitglied des Verbandes. Ziel sei auch, den advsh bekannter zu machen, damit mehr Menschen den Weg dorthin finden. Der advsh wird einen Report über Diskriminierungserfahrungen in Schleswig-Holstein erarbeiten und hat im Februar eine landesweite Umfrage gestartet. Dass das Thema Diskriminierung eine Rolle spielt, bestätigt Birgit Wille, Bürgerbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein. Dirk Mitzloff, Stellvertreter des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen Dr. Ulrich Hase, erklärt: „Wir erhalten viele Nachfragen zu dem Thema und stellen fest, dass es noch erhebliche Unklarheiten zum Diskriminierungsbegriff gibt. Hier wollen wir gemeinsam arbeiten, damit wirkungsvoll gegen Benachteiligungen gehandelt werden kann.“ Beide Beauftragte sind genau wie auch der Flüchtlingsbeauftragte des Landes, Stefan Schmidt, Kooperationspartner des advsh.

Hinter dem Verband stehen zurzeit zwölf Vereine und Gruppen, die sich für Minderheiten einsetzen. Der advsh bietet mittwochs, 10 bis 12 Uhr, eine Beratungssprechstunde in Kiel-Gaarden, Zum Brook 4, an. Um Anmeldung wird gebeten. Neben der Hilfe für Diskriminierungsopfer setzt der Verband sich dafür ein, das AGG inhaltlich weiter zu entwickeln. Ein Kritikpunkt ist, dass Verbände nicht in allen Fällen für ein Opfer aktiv werden dürfen.